Dragon Dreaming

Dragon Dreaming wurde von John Croft und Vivienne H. Elanta an der Gaia Foundation in Australien entwickelt, inspiriert von Einsichten der Chaos- und Komplexitätstheorie, der Systemtheorie und uralten Weisheiten der Aborigines. Dragon Dreaming liefert Methoden, um kreative, gemeinschaftliche und nachhaltige Projekte zu verwirklichen. Es weist einen Weg, wie sich Menschen über die Kraft der gemeinsamen Träume, des wertschätzenden Miteinanders und dem Öffnen für die kollektive Intelligenz selbstorganisieren können.

Dragon Dreaming bietet eine Vorgehensweise für die Umsetzung von Projekten, wobei jedes Dragon Dreaming Projekt drei Prinzipien verfolgt (Kolgin, 2022, S.19):

  • Individuelles Wachstum: das Projekt ermutigt und fördert alle, die damit zu tun haben.
  • Gemeinschaftsbildung: Das Projekt stärkt die Gemeinschaft im Team und um das Projekt.
  • Dienst an der Erde: Das Projekt schützt und heilt das Leben auf der Erde.

Dragon Dreaming liefert keinen fixen Masterplan, es will Offenheit für lebendige, kollektiv geführte Projekte ermöglichen. Das Ziel dabei, eine gewisse „Chaosordnung“, ein „Tanz“ zwischen Chaos und Ordnung. Kompass dabei ist das Projektrad. (Kolgin, 2022, S.30)

In Dragon Dreaming dreht sich das Rad entsprechend des Sonnenverlaufs auf der südlichen Erdhalbkugel gegen den Uhrzeiger; hier nach unserer Logik.

Das Vorgehen zur Projektverwirklichung ist zyklisch, nicht linear, es werden immer wieder Phasen einer vorgegebenen Qualität durchlaufen, dem natürlichen Rhythmus eines selbstregulierenden Systems folgend. Die Schleifen bewegen sich dabei entlang zwei Achsen, zum einen vom Empfinden der Individuen ins Wirken in der Umwelt, zum anderen vom theoretischen Überlegen in die praktische Umsetzung. Das Projektrad ist dafür Bild und theoretisches Fundament. (Kolgin, 2022, S.30)

Das Projektrad besteht aus vier Phasen: Träumen, Planen, Handeln und Feiern. Gleich der bildlichen Darstellung sollen die vier Phasen jeweils ein Viertel des Zyklus ausmachen; alle vier brauchen gleich viel Zeit, Energie und Budget. (Kolgin, 2022, S.32ff)

  • Träumen: in dieser Phase entwickeln die Mitwirkenden im Projekt Ideen, wie sie selbst, ihr Leben und die Welt anders (besser) sein könnte. In einem kreativen Prozess wird daran immer weitergearbeitet, hin zu einer Vision, einem Konzept und Zielen.
    Zentrale Methode dabei: der Traumkreis, in dem die Mitwirkenden ausgehend von einer generativen Frage ein Dokument voller ausformulierter Sätze erarbeiten, welche das Projekt zu einem Herzensanliegen für jedes Teammitglied machen. (Kolgin, 2022, S.62; Beispiel) Die generative Frage: „Wie muss das Projekt im Zeitraum ... für Dich sein oder was muss geschehen, damit Du sagst: Besser als mit diesem Projekt und diesen Menschen hätte ich meine Zeit nicht verbringen können?“
    In einem weiteren kreativen Prozess werden die Träume in Teilziele ausdifferenziert, heruntergebrochen. Die generative Frage ist hier: „Was müssen wir tun/was muss geschehen/worauf müssen wir uns fokussieren, damit wir 100% unserer Träume verwirklichen?“ Sind alle Ziele formuliert (diese wurden auf Postits geschrieben, gesammelt und dann geordnet) werden sie gemeinsam priorisiert und zeitlich geordnet. (Kolgin, 2022, S.90ff; Beispiel)
  • Planen: Ausgehend von der Begeisterung für den Traum, wird dieser konkretisiert und es entsteht ein Plan für seine Umsetzung. Zentrale Methode dabei: der Projekt-Spielplan. Im Brainstorming werden die für die Traum-Realisierung erforderlichen Aufgaben gesammelt, dann gemäß den vier Phasen der Projektrades geordnet, Verbindungen zwischen den Aufgaben gesucht und festgehalten, zuletzt werden die Aufgaben verteilt, wobei sich die Teammitglieder eigenständig den Aufgaben zuordnen. (Kolgin, 2022, S.116ff; Beispiel)
    In der Methode 20-Minuten Budget, zur Schätzung der Projektkosten, kommt die Grundhaltung von Dragon Dreaming ganz besonders zum Ausdruck, die kollektive Kreativität, der Glaube an mehr als Rationalität, das Vertrauen in Intuition. Durch Musik oder gemeinsames Klatschen kommen die Teammitglieder in einen gemeinsamen Groove, gehen im zeitlichen Rahmen von 20 Minuten Aufgabe für Aufgabe durch, wobei die Mitglieder, getragen von Rhythmus, ihre jeweiligen Kostenschätzungen aussprechen, singen, eine moderierende Person die Daten sammelt. (Kolgin, 2022, S.142ff)
  • Handeln: In dieser Phase werden die Träume entsprechend der Planung umgesetzt. Die Umsetzungen der Teilziele stellen dabei selbst kleine Projekte dar, für die ebenfalls das Projektrad mit seinen vier im zeitlichen Ausmaß gleichen Phasen zu durchlaufen sind.
  • Feiern: Hier wird innegehalten, zurückgeschaut, Erfahrungen ausgewertet, gelernt und geerntet. Die Arbeit und der Alltag werden unterbrochen, in einem Akt der Freude wird das Erreichte wertgeschätzt und ausgelassen genossen. Aus der Reflexion entstehen neue Erkenntnisse, neue Träume, das Projektrad beginnt von Neuem.

Inspiration für Selbstorganisation

Ein hilfreiches Werkzeug zum Setzen und Weiterentwickeln des Handlungsrahmens für ein Team ist der Leadership-Canvas (www.apiarista.de). Diese „Leinwand“ visualisiert die thematischen Bausteine, die für die Zusammenarbeit in einem Team einer Klärung bedürfen, die Grundlagen für eine angestrebte Selbstorganisation bilden.

Wenngleich Dragon Dreaming kein Selbstorganisations-Modell darstellt, weist die Methode jedoch einen Weg, wie sich Menschen für ein Projekt verbinden und dieses gemeinsam, ohne externe oder auch interne Führungskraft umsetzen können. Die gebotene Fülle an Werten, Prinzipien und Praktiken liefert Inspiration für die Gestaltung eines selbstorganisierten Wirkens; entlang des Leadership-Canvas wird folgend eine Verortung bei den für ein selbstorganisierendes Team wichtigen thematischen Bausteinen versucht.

Vision

Dragon Dreaming beginnt mit einem Traum, mit der Idee von einem Projekt. Aus dem Traum der Initiator:innen muss der Traum aller Mitwirkenden werden, ansonsten verfestigt sich im Team eine Hierarchie mit jenen, denen der Traum „gehört“ an der Spitze, die kollektive Kreativität kommt nicht zu Entfaltung. Im Traumkreis werden nicht nur die Träume gesammelt, sie werden auch vergemeinschaftet, „die Träume der Individuen sterben“. Sofern das Projekt in einer Organisation eingebettet umgesetzt wird, muss der Gestaltungsspielrahmen, der Raum zum Träumen von Beginn an für alle klar definiert sein. (Kolgin, 2022, S.64)

Die Methode zum kollektiven Träumen ist der Traumkreis. Ausgehend von der generativen Frage „Wie muss das Projekt im Zeitraum ... für Dich sein oder was muss geschehen, damit Du sagst: Besser als mit diesem Projekt und diesen Menschen hätte ich meine Zeit nicht verbringen können?“ bringen die Teilnehmenden ihre jeweiligen Träume ein, dialogisch, im Sitzkreis, mit im Kreis umgehenden Redestein, wobei nur jeweils ein Traum vorgestellt wird, solange bis alle alle ihre Träume eingebracht haben. Optimale Gruppengröße vier bis acht Personen. Dabei erweist sich als hilfreich: (Kolgin, 2022, S.62ff)

  • Positiv träumen, was ist gewollt (Lösung), nicht was ist nicht gewollt (Problem).
  • Wagemutig, aber realistisch träumen, sie sollen motivieren, aber nicht überfordern.
  • Wertfrei träumen, es zählt die Vielfalt.
  • Langsam träumen, der schreitende Gang als Anhalt für das Tempo.
  • Die Träume müssen nicht perfekt formuliert sein, damit die Suche nach der absolut richtigen Formulierung die Kreativität nicht erstickt.
  • Von der Zukunft aus träumen, wenn es traumgemäß sein wird, wie schaut es aus, wie war der Weg dorthin.
  • In ganzen Sätzen träumen, zwecks besseren Verstehens durch die anderen.
  • Zu den drei Prinzipien (persönliche Wachstum, Entwicklung des Teams, Beitrag für die Welt) träumen.

Nachdem die Träume in einem Dokument gefasst, in ansprechender Form visualisiert sind, werden im Dragon Dreaming daraus die (Teil)Ziele abgeleitet und dann die sich daraus ergebende Intention des gemeinsamen Wirkens formuliert. Die Intention des Projekts liefert die tieferliegende Antwort auf die Frage „Warum machen mir das Projekt eigentlich?“ Sie bildet den Kern der Motivation der Mitwirkenden und gibt dem Projekt Bedeutung und Sinn. Dabei geht es nicht um geschliffene und werbeträchtige Sätze, sondern darum, was für das Team von großer Inspirationskraft und Bedeutung ist. Durch das „Warum“ sollen sich die Teammitglieder lebendig und im Team verbunden fühlen.
Die Intention wird in einem Satz beschrieben, um im Inneren im Team Klarheit zu schaffen, um nach Außen gut und überzeugend kommunizieren zu können. Dieser Leitsatz soll im Team gefunden werden, in einem gemeinsamen Flow und ohne Anspruch auf Perfektion. Um sich dem Druck, die bestmögliche Formulierung zu finden, zu nehmen und den Leitsatz im Team lebendig zu halten, ist dieser regelmäßig im Team zu reflektieren, zu überarbeiten. Dadurch verbindet sich das Team stets mit sich selbst, der Gemeinschaft und der Intention des gemeinsamen Wirkens. (Kolgin, 2022, S.100ff)

Dragon Dreaming bietet eine Methode mit der ein Team (bis zu zwölf Personen) in 30 Minuten die Intention ihres Projektes kurz und knackig formulieren. Der Prozess findet schweigend statt, die Stille erzeugt eine besondere, konzentrierte Atmosphäre und vermeidet aufreibende Diskussionen. (Kolgin, 2022, S.103)

  • Zuerst wird der Ablauf allen beschrieben, Verständnisfragen geklärt. Die Wechsel zwischen Phasen werden von der Moderation akustisch angezeigt.
  • Tief zuhören: die Träume und Ziele werden im Raum visualisiert, die Teammitglieder lesen sich diese durch, gehen in sich, treten mit dem Projekt in Verbindung.
  • Still schreiben: die Teammitglieder haben fünf bis zehn Minuten Zeit jeweils für sich (kein Austausch untereinander) einen Leitsatz zu formulieren. Der Leitsatz sollte kurz und knapp, leicht erinnerbar, die Träume einschließend und inspirierend sein.
  • Gemeinsam texten: die Teammitglieder kommen schweigend im Kreis zusammen, vor einer Flipchart oder ein Flipchart-Bogen am Boden in der Mitte. Wer den ersten Impuls hat, schreibt den eigenen Satz in die Mitte des Bogens. In Ruhe und Stille lässt das Team den Satz auf sich wirken, dann haben alle die Möglichkeit Wörter in diesem Satz zu ergänzen oder zu ersetzen – ohne zu sprechen, indem sie auf den Bogen hinzuschreiben, streichen. Voraussetzung, die Veränderungen machen den Satz kürzer und prägnanter, einschließender, erinnerbarer und inspirierender. Nach 20 Minuten endet die Phase durch das akustische Signal.
  • Abschluss: so wie der Satz nun dasteht, ist es der Leitsatz. Das Ergebnis wird „gefeiert“.

Werte

Die gesammelten Träume, die abgeleiteten Ziele und die formulierte Intention machen die Werte der Teammitglieder (implizit) sichtbar. Für das gemeinsame Wirken ist es erforderlich, dass sich das Team dieser Werte bewusst wird. Nicht alle Werte der Teammitglieder müssen dabei Eingang in die Teamwerte finden, allerdings all jene, die für die Zusammenarbeit essenziell empfunden werden. Mit der Methode Werte-Austausch kann Klärung gefunden werden. (Kolgin, 2022, S.104)

  • Werte sammeln: Im Sitzkreis, dialogisch, mit Redestein nennen alle Teammitglieder reihum jeweils die Werte, die sie gerne im Projekt vertreten sehen möchten. Die Moderation hält diese auf einer Flipchart fest, Mehrfachnennungen werden nur einmal erfasst.
  • Werte beurteilen: In Ruhe schaut sich das Team die Sammlung an, rd. 10 Minuten. Dann bewertet jedes Teammitglied, wobei je drei grüne Sternchen für Werte mit besonderer Wichtigkeit bzw. ein roter Stern für Werte, die Bedenken auslösen, vergeben werden.
  • Werte sortieren: Die Werte werden in drei Spalten sortiert: erstens Werte, die alle unterstützen; zweitens, diejenige, die einige unterstützen; drittens, Werte, die einen starken Widerstand auslösen. Danach schaut sich das Team die Werte mit den meisten Sternchen noch einmal an und lässt sie auf sich wirken.
  • Kritische Werte: Sollte es Werte mit vielen roten Sternchen geben, fragt die Moderation bei denjenigen nach, die diese vergeben haben. Das Team stellt sich die Frage, ob diese Werte wichtig sind, um das gemeinsame Projekt zu verwirklichen. Wenn ja und keine einfache Lösung zu finden ist, kann ein kleines Team aus Befürwortenden und Ablehnenden der Werte einen Lösungsvorschlag bis zu einem nächsten Treffen erarbeiten.

Dragon Dreaming Projekte folgen drei Prinzipien, aus ihnen leiten sich Werte für das Handeln des und durch das Team ab: (Kolgin, 2022, S.16)

  • Dienst an der Erde: Wir schützen die Natur dort, wo sie noch intakt ist und heilen das, was krank oder kaputt ist.
  • Persönliches Wachstum: Lernen, Mut gewinnen, die eigene Komfortzone verlassen, Selbstwirksamkeit erfahren.
  • Gemeinschaftsbildung: Vertrauen, Wertschätzung und gegenseitige Unterstützung und Verständnis im Team fördern.

Dragon Dreaming fußt auf der Überzeugung, dass alles auf der Welt miteinander in Verbindung steht, die Welt ein Geflecht aus temporären Knotenpunkten, bestehend aus Materie, Energie, Kreativität und Chaos, ist. Das bedeutet, man ist nie allein, alles, was man mit anderen tut, beeinflusst einem auch wieder selbst. Macht man andere zu Verlierenden, verliert man auch selbst. Somit ist jeder Kampf um Sieg oder Niederlage immer ein Verlust – auch für die Person, die gewinnt. In Dragon Dreaming wird daher eine Win-Win-Kultur angestrebt, in der es nicht um Kämpfen geht, in der man darauf vertraut, dass alle am Projekt Beteiligten die Träume, Anliegen und Wünsche der anderen genauso wichtig nehmen, wie die Eigenen. (Kolgin, 2022, S.20ff) Ziel ist die Andersartigkeit – auch wenn sie der eigenen Sichtweise im Wege zu stehen scheint – zu nutzen („mit dem Drachen tanzen“), um gemeinsam mehr Ideen, vielschichtigere Lösungen und einen konstruktiven Umgang mit Konflikten zu haben. „Oder, um es mit einem Bild zu beschreiben: Wie können wir aus vielen, verschiedenen Farben ein buntes Bild malen, anstatt zu einer Farbmischung von undefinierbarem Graubraun zu kommen?“ (Kolgin, 2012, S.25)

Team

Die Zugehörigkeit zum Team ist bei einem Dragon Dreaming Projekt offen, Machtmechanismen (‚Macht über‘) wie Kontrolle, Bedrohung und Strafe greifen, wenn, nur kurzfristig, vielmehr zerstören sie die kreative Kraft der Gemeinschaft. Um die Menschen und ihre Potenziale im Team zu halten, braucht es ein kollektives Führen, die Qualität von gemeinsamer Macht, das sich gegenseitig Macht Einräumen ist das Ideal. Diese „‘Macht mit‘ führt zu magischen Momenten, zu einer Atmosphäre gegenseitigen Wohlwollens, zu Vertrauen in sich und andere. Sie erzeugt ein Momentum, in dem Projekte scheinbar mühelos gelingen, sich Erfolge in Serie einstellen, Menschen einen kollektiven ‚Flow‘ erleben und selbst schwierige Konflikte gemeinsam meistern.“ (Kolgin, 2022, S.204)

Eine dritte Machtposition neben ‚Macht über‘ und ‚Macht mit‘ gilt es im Auge zu behalten, die ‚Macht durch‘ ein Mehr an Status, Charisma, Verbindungen oder fachlicher Kompetenz. Um die Träume des Teams zu verwirklichen ist es von Vorteil, wenn die Person(en), die für Aufgabenstellungen am besten qualifiziert ist(sind), die Richtung prägen, insbesondere wenn Zeit ein knappes Gut ist. Dabei muss allerdings im Auge behalten werden, dass aus der ‚Macht durch‘ nicht eine ‚Macht über‘ wird, dass sich ein(e) Person(enkreis) herauskristallisiert, die/der die Führung an sich zieht bzw. auch, der/dem die Führung abgeben wird (weil die Selbstwirksamkeitserwartung gering, weil die Unterordnung (noch) Teil unseres Kulturkreises, weil es bequemer ist).

Damit der ‚Macht mit‘-Ansatz nicht verloren geht, ist es erforderlich, das kollektive Führen regelmäßig zu reflektieren, in der Sprache des Dragon Dreaming zu feiern.

Dragon Dreaming versteht ein Projekt als Lernort, bei allen gesetzten Schritten gilt es die Gemeinschaft zu stärken und das persönliche Wachsen zu fördern. Diese Haltung wahrt das kollektive Führen. Indem die Fähigkeiten und das Wissen auf mehrere Schultern verteilt werden, wird vorgebaut, dass beim Ausscheiden von Kräften keine bedrohlichen Lücken entstehen, wird für das intuitive Vermögen im Team gestärkt. Indem Aufgabenstellungen bewusst verteilt werden, eröffnen sich Möglichkeiten die eigenen Kompetenzen zu erweitern, Rollen zu wechseln, sich zu entlasten.

In Dragon Dreaming folgt die Aufgabenstellung dem Ideal der Hierarchielosigkeit, Freiwilligkeit und Selbstorganisation. Alle können frei entscheiden, für welche Aufgaben sie die Verantwortung übernehmen möchten. Drei Rollen spornen dazu an, sich von Aufgabe zu Aufgabe in neue Bereiche vorzuwagen (Kolgin, 2022, S.127f):

  • Die Rolle der Huttragenden setzt sich den „Hut“ für die Aufgabe auf, sie übernimmt die Verantwortung, dass die Aufgabe erledigt wird.
  • Die Rolle der Trainees unterstützt die Huttragenden bei der Umsetzung und lernt von ihnen.
  • Die Rolle der Beratenden berät die Huttragenden und deren Trainees, sie stellen ihr Wissen und ihre Erfahrungen zur Verfügung. Die Rolle kann auch an Externe vergeben werden.

Die Aufgabenverteilung erfolgt gemeinsam im Team. Auf dem „Spielplan“ zum Projekt sind die verschiedenen Aufgaben eingezeichnet, ausgerüstet mit grünen, roten und schwarzen Stiften teilen sich die Teammitglieder den einzelnen Aufgaben zu, grün für Huttragend, rot für Trainee, schwarz für Beratend. Bleiben Aufgaben ohne grüne Namen oder sogar ganz ohne Namen, kann das Zeichen sein, dass es noch Unterstützung von außen brauchen könnte. Oder es ist Ausdruck, dass die Aufgabe keinem der Teammitglieder ausreichend wichtig erscheint.
Das Ergebnis gilt es zu feiern (reflektieren), niemand soll dabei zu etwas gezwungen werden.

Entscheidungen

Bei Dragon Dreaming wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Gemeinschaft bessere Entscheidungen treffen kann als der Einzelne, der größere Horizont erweitert das Spektrum der Perspektiven und erlaubt mehr Dinge abzuwägen. Allerdings liegt keine Verpflichtung zu steten Gemeinschaftsentscheidungen vor, auch wird keine eigene Entscheidungsmethode angeboten. Im Playbook (Kolgin, 2022, S.210ff) werden verschiedene Zugänge dargestellt, zB die Konsent-Entscheidung (aus der Soziokratie) oder systemisches Konsensieren.

Bei der Wahl der Methode zur Entscheidungsfindung sollte berücksichtigt werden, wieweit das Team schon im Prozess des Teambuilding ist. Ungeklärte Status- und Machtfragen, untergründige Konflikte können die Entscheidungsfindung massiv beeinträchtigen. Als ein Anzeichen, dass das Team noch nicht so richtig ein entscheidungsfähiges Stadium erreicht hat, ist, dass bei Diskussionen von einem Thema zum anderen gehüpft wird. (Kolgin, 2022, S.210).

Jede Entscheidung wird aus vier Phasen besteht gesehen, entsprechend dem Projektrad. In der Phase des „Träumens“ entsteht das Bewusstsein, dass eine Entscheidung ansteht; über kreative Methoden werden sich dann verschiedene Optionen erschlossen. Diese werden in der Phase des „Planens“ gegeneinander abgewogen und in der Phase des „Handelns“ fällt dann die Wahl auf eine der Optionen. In der Phase des „Feierns“ wird nach einiger Erprobungszeit für die Wahl diese reflektiert, auch wie der Prozess der Entscheidungsfindung gelungen ist. (Kolgin, 2022, S.211).

Regeln

Dragon Dreaming lebt die produktive Nutzung der Unterschiedlichkeit der Mitwirkenden. Diese Vielfalt bedingt allerdings, dass die Erwartungen, Bedürfnisse und Vorstellungen weit auseinandergehen (können). Mit der Erarbeitung von Regeln für die gemeinsame Arbeit wird den daraus sich leicht ergebenden Konflikten begegnet.

Mit Mia Mia wird eine Methode geboten (entwickelt von Anette Dölle), die als Ergebnis ein Dokument liefert, das alle Verhaltens- und Kommunikationsvereinbarungen festhält, die sich das Team für die gemeinsame Arbeit im Projekt gegeben hat. Durch regelmäßige Reflexion und Anpassung bei Bedarf bleibt das Dokument flexibel, nimmt gewonnene Erkenntnisse der Zusammenarbeit auf. (Der Name Mia Mia kommt aus der Sprache der Nyungar und bedeutet „vorübergehende Unterkunft“).
Mia Mia wird wie folgt umgesetzt (Kolgin, 2022, S.81):

  • Das Team erarbeitet in einer schönen, vertrauensvollen Atmosphäre, mit ausreichend Zeit, im Kreis.
  • Ausgangspunkt ist die generative Frage: „Was muss geschehen, damit Du das Projekt hundertprozentig verlässt?“
  • Jede Person erhält drei Postits und schreibt in aller Stille und mit soviel Zeit, wie benötigt, auf jeden Zettel eine Antwort.
  • Im Kreis werden die Gründe, warum die jeweilige Person das Team verlassen würde, gesammelt, mehrfach Vorkommende zusammengelegt. Jeder genannte Grund ist eine wesentliche Information über das Teammitglied und wird wertschätzend (gefeiert) angenommen.
  • Auf einer Flipchart werden die Postits geordnet sichtbar gemacht, für jedes Mitglied eine Spalte, darunter die jeweils drei Gründe für das Ausscheiden aus dem Team. Das Team sucht in Stille nach gemeinsamen Themen, verbindet diese mit einer Linie. Ergebnis, die möglichen Hindernisse im Team.
  • Aus jedem vom Team als wichtig erachteten Hindernis wird eine positiv formulierte Aussage abgeleitet, deren Befolgung die Vermeidung der Hindernisse gewährleistet. Die Aussage umfasst einen Satz, beginnt mit „Wir werden ...“ und beschreibt das Gegenteil der negativen Situation. Aus „Ich würde gehen, wenn wir im Team Konflikte nicht offen ansprechen“ wird „Wir werden Im Team Kritik an erbrachten Leistungen offen und mit Respekt äußern.“
  • Die erarbeiteten Affirmationen werden auf einer neuen Flipchart gesammelt. Eventuelle Änderungswünsche werden geprüft, bis alle die Aussagen mittragen können.
  • Die Teamregeln werden in ansprechender Form in einem Dokument für alle leicht zugänglich visualisiert. Die erbrachte Entwicklungsarbeit gefeiert.

Kommunikation

Die Kommunikation unter- und miteinander ist üblicherweise von einem Richtig oder Falsch, von Siegen und Verlieren geprägt. Worte werden als “Verteidigungsinstrumente”, als “Waffen” gesehen. Dragon Dreaming lebt dementgegen eine Win-Win-Kultur, in der es ebenso wichtig ist, die Ideen, Ansichten und Träume der anderen zu verwirklichen – selbst, wenn diese den eigenen entgegenzustehen scheinen. (Kolgin, 2012, S.26) Im Dragon Dreaming leiten dazu zwei Praktiken, die das Team im Rahmen des Projektes übt und vertieft.

Das ist zum einen das Tief-Zuhören. Damit ist nicht nur gemeint, dass die Worte der anderen auch gehört werden, es bedeutet auch, still zu werden, sich zu öffnen und sich selbst, die anderen und die Welt mit allen Sinnen, ganz bewusst und unvoreingenommen wahrzunehmen, ohne Bewertung zu beobachten, hinhören und hinzufühlen. Um Tiefes-Zuhören zu üben und anzuwenden, gibt es im Dragon Dreaming als Praxis die „Stillepause“: alle im Team können jederzeit und in jeder Situation ein vereinbartes Zeichen geben (zB Anschlagen einer Klangschale), um ein kurzes Innehalten, einen Moment der Stille und des äußeren Nichtstuns einzuschieben. In diesem Zeitraum (etwa eine halbe bis zwei Minuten) können die Teammitglieder spüren, was in ihnen gerade los ist. Sie können es loslassen, um ganz präsent und offen da zu sein. Es ist auch möglich geführte, meditative Stillepausen zu halten, zum Beispiel bei besonderen Gelegenheiten, wie zu Beginn eines Meetings. (Kolgin, 2022, S.24f)

Die zweite Praxis ist das Authentisch-Sprechen. Dabei geht es um die Überwindung der eigenen Blockaden. Anstatt davon auszugehen, was andere über einen und das, was man sagt, denken, nimmt man zuallererst Verbindung zu sich selbst auf. Das dann auszusprechen, erfordert Mut. Und Vertrauen, dass die eigenen Empfindungen und Träume, die eigenen Ängste und Befürchtungen, die offengelegten Schwächen gezeigt werden können, ohne dass die anderen diese gegen einen ausnutzen oder einen ausgrenzen. Indem im Team über den eigenen Schatten gesprungen, sich geöffnet wird, wird Vertrauen geschaffen, es anderen Teammitgliedern erleichtert, es gleich zu tun. (Kolgin, 2012, S.30)

Eine dritte Praxis im Dragon Dreaming ist das Generative Fragen, Fragen, die emotionale Kraft sowohl im Leben des Fragenden als auch des Gefragten haben. Sie dienen im Allgemeinen dazu, den Unterschied, der den Unterschied ausmacht, freizulegen. Sie ist eine offene Einladung sich mit dem zu beschäftigen, was man noch nicht weiß. Sie ist offen und reflektierend. (Kolgin, 2013, S.8) Zentrales Beispiel ist die Ausgangsfrage des Traumkreises.

Konflikte werden im Dragon Dreaming als etwas im Grunde Positives angenommen. Durch sie können Dinge aus einer neuen Perspektive betrachtet werden, es wird dazugelernt, eventuell eigene Irrtümer entdeckt. Konflikte bringen somit einen breiteren Blickwinkel, mehr Kreativität und damit einen größeren Handlungsspielraum für das Projekt. Allerdings bleibt die Furcht vor Konflikten. „Gelingt es uns aber, unsere Drachen zu zähmen, dann wartet auf uns ein Schatz der Erkenntnis. Das geht am besten, wenn du mit deinen Drachen tanzt, ..., wenn du es also spielerisch und leicht angehst.“ (Kolgin, 2022, S.77) Hilfreich sind dabei die Theorie der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg und dass die Konfliktlinien immer zwischen den Konfliktpersonen bleiben, nicht in den Personen gesehen werden, es unterschiedliche Perspektiven auf etwas bleiben, die beide verbinden.

Stakeholder

Dragon Dreaming beginnt mit den Mitgliedern im Team, sie sammeln ihre Träume, setzen die Ziele. Dabei die Devise: „Träume wagemutig, aber realistisch.“ Um das besser einschätzen zu können werden die Bezugssysteme – die Beziehungen und Verbindungen - des Projekts prüfend eingeschätzt. (Kolgin, 2022, S.108)
Durch das Projekt soll es zu einer Veränderung der Welt kommen. Nachdem Veränderung fast immer auf Widerstand stößt, wird eine Einschätzung mittels einer Stakeholder-Analyse vorgenommen: (Kolgin, 2022, S.111)

  • Auf eine Flipchart wird ein Halbkreis in fünf Segmente geteilt:
    aktiver Widerstand / passiver Widerstand / neutrale Beobachtung / passive Unterstützung / aktive Unterstützung. Auf Postits werden die einzelnen Erkenntnisse folgender Fragen festgehalten und in die jeweiligen Segmente geklebt. So ergibt sich ein Bild, das sich allerdings im Laufe der Zeit verändern kann, neue Stakeholder können dazukommen. Davon ausgehend sind strategische Fragen zu beantworten.
  • Wer blockiert das Projekt?
    Strategische Frage dazu: Wie können wir unsere Gegner:innen umgehen, um zu unserem Ziel zu kommen?
  • Wer fördert dein Projekt?
    Strategische Frage dazu: Wie muss unsere Kommunikation aussehen, damit unsere Unterstützenden immer zahlreicher werden?
  • Wer steht dem Projekt neutral gegenüber?
    Strategische Frage dazu: Sollten wir die neutralen Beobachtenden zu Unterstützenden machen? Das ist nicht immer erforderlich, auch in Anbetracht der vorhandenen Ressourcen.

Key Performance Indicators

Das Arbeiten im Dragon Dreaming ist geprägt von der Visualisierung der Ergebnisse. Das ist nicht nur bei der gemeinsamen generativen Arbeit hilfreich, es erleichtert auch das gemeinsame Reflektieren der Verwirklichung der Träume und der gesetzten Ziele. Ein Viertel der Projektzeit soll im Dragon Dreaming dem Feiern gewidmet sein, dazu zählt insbesondere die Reflexion des bereits Erreichten und das Lernen daraus.

Blocker

Dragon Dreaming überwindet die inneren Blockaden, die Ängste, die Drachen im Kollektiv auf spielerische kreative Weise. Das Rationale auf die Seite zu schieben, wie zum Beispiel beim 20 Minuten Budget sich im Rhythmus im Raum frei bewegend Schätzungen abzugeben, ist in unserem Kulturkreis eher die Ausnahme, speziell Männer werden sich dabei schwertun. Die Folge Widerstand, Ablehnung.

Entsprechend dem Projektrad soll die Projektzeit auf alle vier Projektphasen gleichmäßig verteilt werden. Somit sind 50% der Zeit für Träumen und Feiern bereitzustellen. Auch hier steht unsere Arbeitslogik blockierend im Weg. Arbeit soll mit möglichst geringem zeitlichem Aufwand erledigt werden; das sehen nicht nur eventuelle Auftraggebende so, auch die Umsetzenden möchten die Zeit für „Work“ kurz halten um dann viel Zeit für „Life“ zu haben. Die Folge, speziell die Reflexion als zentrales Element des Feierns wird vernachlässigt.

Enabler

Mit Dragon Dreaming gelingt es ein hohes Maß an Komplexität steuerbar zu halten, wodurch die Bearbeitung hoch komplexer Aufgabenstellungen in der Welt möglich wird (Varietätsgesetz von Ross Ashby). Spielerisch kreativ, dialogisch, das Wissen aller nutzend werden innovative Lösungen möglich.

Das Arbeiten mit der Intuition bringt Vorteile. Der Weg der Ratio benötigt eine Menge Zeit und das Bewusstsein kann nur eine kleine Menge an Informationen verarbeiten. Hinzu kommt die Gefahr, sich in endlosen Diskussionen über Details zu verhaspeln (in Dragon Dreaming als Analyse-Paralyse bezeichnet; Kolgin, 2022, S.74).
Mit der Intuition ist es möglich, sich dem großen Ganzen zu öffnen. Für gute Intuition gibt es allerdings zwei Voraussetzungen: Das Unterbewusstsein speist sich nicht aus dem nichts, es muss zuvor Gelegenheiten gegeben haben, aller relevanten Informationen in sich aufgenommen zu haben. Je mehr Erfahrung man in einem Bereich hat, umso besser dann die Intuition. Und dann gilt es das Paradoxon zu überwinden, dass es mit der Intuition umso besser läuft, je unbewusster sie kommt. Dies gelingt zum Beispiel wie beim 20-Minuten-Budget, wo der gemeinsame Rhythmus die Ratio bindet und der Intuition freies Feld ermöglicht. (Kolgin, 2022, S.144)

Erschließt die Intuition dem Individuum den Zugang zum großen Ganzen, ist es die dialogische Praxis die dem Team und seinen Mitgliedern neue Erkenntnisse, Durchbrüche, Lösungen eröffnet. Dragon Dreaming weist dem Team den Weg, wie es gemeinsam, ohne führende Person sich Ziele setzt und diese erreicht. Mit ausreichend Zeit für Träumen und Feiern, in einem Vertrauensraum, wird es möglich, dass das Team mehr als die Summe seiner Individuen bewirkt, dass die Einzelnen wachsen, die Gemeinschaft im Team gestärkt und ein Beitrag zu Verbesserung der Welt geleistet wird.

 

Quellen:

https://dragondreaming.org/de/

Kolgin Illona, Kommerell Julia: Dragon Dreaming Playbook München 2022
https://dragon-dreaming-playbook.net/

Koglin Ilona, Blanke Catriona, Croft John, Dasi Mandakini: Dragon Dreaming. Projektdesign; Version 2.09, 2013
https://wp.weltverbessern-lernen.de/wp-content/uploads/2020/07/DragonDreaming_eBook_german_V02.09.pdf

Koglin Ilona: Dragon Dreaming. Projektmanagement für kollektive Kreativität und nachhaltigen Erfolg; E-Book, Hamburg 2012
https://www.fuereinebesserewelt.info/wp-content/uploads/2016/04/Dragon-Dreaming.pdf