Bürger:innen-Kommune Weyarn

Die oberbayrische Gemeinde Weyarn lebt ein Modell der Bürger:innen-Beteiligung, das sich über lange Jahre entwickelte, in einer Satzung verbindlich verankert und Beispiel wie Erfahrungsschatz für die proaktive Mitgestaltung einer Gemeinde durch ihre Bürger:innen ist.

Die Gemeinde Weyarn liegt rd. 38 km südöstlich von München, sie gliedert sich in 52 Gemeindeteile.
2022 zählte man knapp 4.000 Einwohner:innen, seit 1993 wuchs die Bevölkerung um 39%, kontinuierlich.
Seit 2014 ist Leonhard Wöhr von der CSU Erster Bürgermeister. Die CSU verfügt mit 5 von 16 über die meisten Gemeinderät:innen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Weyarn; abgefragt 1.9.23)
Dem Aufbau der Bürger:innen-Beteiligung stand Michael Pelzer (SPD) als Erster Bürgermeister vor.

Der Weg der Gemeinde Weyarn zur Bürger:innen-Beteiligung begann mit der Teilnahme am bayerischen Dorferneuerungsprogramm 1993. In Bürger:innen-Werkstätten, Ortschaftsversammlungen und Arbeitskreis-Sitzungen wurde unter Anleitung eines „Dorfplaners“ in vier Jahren ein Dorf- und Gemeindeentwicklungsplan für die nächsten zehn Jahre entwickelt. Der nächste Schritt zur institutionalisierten Bürger:innen-Beteiligung war die im Jahr 2008 vom Gemeinderat einstimmig erlassene „Satzung zur Weiterführung der Bürgerbeteiligung in der Gemeinde Weyarn“ (die aktuelle Satzung fußt auf einen Beschluss aus 2013). Erste Überlegungen für eine Bürgerbeteiligungssatzung wurden bereits 2006 angestellt. Der damalige Bürgermeister, eine Handvoll Gemeinderäte und einige Arbeitskreismitglieder suchten nach einem Weg, um die aktive Bürger:innen-Beteiligung und Gemeindeentwicklungsplanung auch nach dem Auslaufen des staatlichen Förderprogramms „Dorferneuerung“ fortzuführen und dauerhaft zu sichern. (gemeinde-weyarn.de; abgefragt 1.9.23)

Die Bürger:innen-Beteiligung-Satzung regelt den Prozess wie die Struktur der proaktiven Mitgestaltung der Bürger:innen. Sie fixiert zwei Säulen der Entscheidungsfindung: Der herkömmliche Weg über Politik und Verwaltung wird ergänzt durch die Bürger:innen-Beteiligung. Diese soll dazu beitragen, dass „Eigenverantwortung gestärkt wird, das Gemeinwohl im Vordergrund steht und das Subsidiaritätsprinzip der Bayerischen Verfassung gestärkt wird“. (gemeinde-weyarn.de; abgefragt 1.9.23)

Folgende Grafik (der Gemeindehomepage entnommen) gibt den Aufbau und die Abläufe der Entscheidungsfindung wieder:

Der Prozess der Bürger:innen-Beteiligung

Neben dem herkömmlichen Entscheidungsfindungs-Prozess, bei dem der Gemeinderat bzw. Bürgermeister:in in Angelegenheiten der Gemeinde entscheidet – wobei Anliegen aus der Bevölkerung berücksichtigt werden (können), ist ein ergänzender Entscheidungsfindungs-Prozess etabliert. Dieser ändert allerdings nichts an der letztendlichen Entscheidungskompetenz des Gemeinderats. Die Praxis zeigt jedoch, dass es durch den prozessualen ständigen Informations- und Abstimmungsverlauf zwischen Bürger:innen-Entwickungsarbeit und Gemeinderat bei den Entscheidungen im Gemeinderat weniger um das „ob“, sondern vielmehr um das „wie“ geht, die Frage der Einordnung in finanzielle Prioritätenliste. Der ständige Dialog über Projekte und Strategien innerhalb der Gemeinde zwischen dem Gemeinderat (gewählte Mandatsträger) und den sich engagierenden Bürger:innen führt dazu, dass Konflikte in relativ frühen Stadien ausgetragen werden können und Frustrationen der Beteiligung nicht dadurch entstehen, dass am Ende des Entwicklungsarbeit der Gemeinderat plötzlich „nein“ sagt. (Pelzer, S.126f)

Die Bürger:innen werden seitens der Gemeinde projekt- (zB eine Bücherei, Dorfladen, Schwimmbad) oder themenbezogen (zB Energiewende, demographische Entwicklung) zur aktiven Mitarbeit aufgefordert, zu Bürger:innen-Werkstätten eingeladen.  Neben dem Gemeinderat können die Werkstätten auch von Einzelnen oder von Gruppen initiiert werden. (Pelzer, S.125).

Sofern das Thema oder das Projekt tatsächlich Interesse erfährt, gehen aus den Bürger:innen-Werkstätten Arbeitskreise hervor. Diese gründen sich autonom, wobei ihnen seitens der Gemeinde ein Budget und professionelle Unterstützung zur Verfügung gestellt werden kann.

Die in den Arbeitskreisen sich entwickelnden Pläne werden in das eingerichtete Steuerungs- und Entscheidungsgremium eingebracht. Dieses dient der Abstimmung der Planungsergebnisse der verschiedenen Arbeitskreise, um einerseits gegensätzliche Planungen frühzeitig zu vermeiden und um andererseits die Übereinstimmung mit dem Leitbild der Gemeinde zu hinterfragen. Das Steuerungsgremium begleitet die Arbeitskreise bei der Entwicklungsarbeit, so dass auch bereits Zwischenergebnisse korrigiert werden können. Schließlich legt das Steuerungsgremium erarbeitete Planungen der Arbeitskreise dem Gemeinderat als Beschlussvorschlag zur Entscheidung vor, sofern diese Planungsergebnisse im Steuerungsgremium eine Mehrheit erfahren hat. (Pelzer, S.126)

Nach positivem Entscheid durch den Gemeinderat erfolgt die Umsetzung, wobei die derzeit 15 auf der Homepage ausgewiesenen Arbeitskreise von deren starken Mitwirkung zeugen.

Der Prozess der Bürger:innen-Beteiligung wird von einer Stelle, eingerichtet bei der Gemeinde, koordiniert. Diese unterstützt die Arbeitskreise in der täglichen Arbeit, ist Ansprechpartner:in für interessierte Büger:innen (Bürger:innen-Amt), verteilt alle Protokolle an alle Aktiven und sorgt für Kontinuität. Zudem wird das Steuerungsgremium begleitet, die Verwaltung auf dem Weg zur Bürger:innen-Beteiligung informativ und motivierend mitgenommen. (Pelzer, S.126)

Die Strukturelemente der Bürger:innen-Beteiligung

Die offizielle Gemeinde

Ausgangspunkt für die proaktive Mitgestaltung der Bürger:innen sind die offiziellen Strukturen der Gemeinde. Das sind die Bürgermeister:in, der Gemeinderat und das Gemeindeamt. Erstere haben ihre gesetzlichen Aufgaben, Letztere unterstützen sie dabei.
Stolpersteine für Bürger:innen-Beteiligung liegen in diesen begraben: (Pelzer, S.131f)

  • Der Bürgermeister:in kommt in der Gemeinde eine zentrale Rolle zu. Wenn er/sie meint, sich überall einmischen zu müssen, hindert das die Entwicklung. Das ständige Dabeisein der Bürgermeister:in demotiviert. Ihre Aufgabe ist es, Mut zu machen und anzuerkennen, aber nicht, omnipräsent zu sein.
    Die Schaffung einer Anerkennungskultur ist vor allem für die Bürgermeister:in eine stetige Aufgabe. Die Anerkennung muss individuell sein. Sie reicht von Patenschaftsessen über die Ehrung bei Neujahrsempfängen bis auch einmal zu einem Wochensende in Wellnesshotel. (Pelzer, S.131)
  • Die gewählten Gemeinderäte müssen sich ihrer Verantwortung für die Zielerreichung bewusst sein, Eigeninteressen (politischer Wettbewerb) dürfen das Interesse am Erfolg der Bürger:innen-Beteiligung nicht überlagern. Auch ein Denken in Legislaturperioden ist schädlich. Gleiches gilt für den Hang, alles und jedes selbst entscheiden zu wollen, sich nicht auf das Setzen des Rahmens zu beschränken.
  • Wenn die Mitarbeitenden des Gemeindeamtes nicht für den Beteiligungsprozess gewonnen werden, droht alles zu scheitern. Sie sind ebenso zu beteiligen. Die Verwaltung soll Umsetzungsmöglichkeiten optimieren, die Arbeitskreise und ihre professionellen Begleitenden zu unterstützen.
  • „Wenn Verwaltung oder Politik das Handeln der Arbeitskreise kontrollieren, statt zu begleiten – wenn also Misstrauen herrscht – auch dann kann alles schief gehen. Solange sich die Arbeitskreise an die Regeln und das Leitbild halten, gilt: Es braucht Vertrauen. Es braucht die Fähigkeit, sich auf Neues einzulassen und es zuzulassen.“ (Pelzer, S.132)
  • Die Möglichkeit der professionellen Begleitung der ehrenamtlich in den Arbeitskreisen Tätigen ist für Gemeinderäte eine Herausforderung, weil es bedeutet, sich auf Prozesse einzulassen, die ihrerseits die Bürger:innen den gewählten Gremien ebenbürtig machen können. Herrschaftswissen kann nicht mehr akkumuliert werden, hinter Fachgutachten können sich die Gemeinderäte (auch die Verwaltungsmitarbeitende) nicht mehr verstecken. (Pelzer, S.127)

Damit sich Bürger:innen einbringen, braucht es ein Klima der Offenheit und des Respekts. Das erfordert von der offiziellen Gemeinde die Mitsprache ernst zu nehmen, sie als Handlungsauftrag zu verstehen und die Ergebnisse nicht in der Schublade verschwinden zu lassen. Es erfordert weiters die „gleiche Augenhöhe des Wissens“ herzustellen, dass die Gemeinderäte ihre Informationen, ihre Vorhaben, Ideen und Visionen den Bürger:innen mitteilen. (Pelzer, S.124)

Bürgerbeteiligungssatzung

Die Satzung zur Weiterführung der Bürgerbeteiligung, beschlossen vom Gemeinderat Weyarn aufgrund des Art, 23 Satz 1 GO regelt die aktive Mitwirkung der Bürger:innen an der Entwicklung der Gemeinde Weyarn. Sie enthält die für den Prozess der Bürger:innen-Beteiligung notwendigen Regeln und gibt eine überschaubare Organisationsstruktur. Die Satzung ist auf der Homepage der Gemeinde öffentlich zugänglich: https://gemeinde-weyarn.de/wp-content/uploads/2021/07/Buergerbeteiligungssatzung.pdf

Die Satzung kann nur mit einer Mehrheit von 2/3 des Gemeinderats aufgehoben oder verändert werden.

Das Gemeinde-Leitbild

Das Leitbild steckt den Rahmen für die Entwicklung der Gemeinde. Es bietet Orientierung, ist Richtschnur für die gemeindlichen Entscheidungen und soll die Gemeinde fit für die Zukunft machen. Der Gemeinderat erlangt durch das Leitbild Handlungssicherheit und greift bei seinen Entscheidungen auf diese strategischen Orientierungslinien zurück. Der proaktiven Mitgestaltung der Bürger:innen werden Grenzen gesetzt.

Das Leitbild wird entsprechend dem Prozess der Bürger:innen-Beteiligung entwickelt, über die Leitbildentwicklung erhält die Bürger:innen-Beteiligung neue Impulse.

In der Gemeinde Weyarn wurde 2019 mit der Entwicklung eines neuen Leitbildes begonnen, Ende 2021 wurde das alte Leitbild nach 24 Jahren per Gemeinderatsbeschluss durch ein Neues ersetzt. Die Themenbereiche sind: Ländlicher Raum und Bevölkerung / Begegnung und Mitgestaltung / Wohnen und Bauen / Nachhaltigkeit, Umwelt, Energie / Wirtschaft, Gewerbe, Infrastruktur. (nähere Details)

Arbeitskreise

Die Arbeitskreise gründen sich autonom. Die Gründung ist bei der Gemeinde anzuzeigen. Um vom Gemeinderat anerkannt zu werden, haben sie folgende Regeln einzuhalten:

Die Arbeitskreise haben

  • eine Sprecher:in und eine stellvertretende Sprecher:in zu wählen,
  • die Zielsetzung des Arbeitskreises festzulegen
  • öffentlich zu ihren Sitzungen einzuladen (Presse, Gemeindezeitung, Internet).
  • Protokolle über alle Zusammenkünfte zu führen und der Gemeinde die Einladungen und Protokolle zeitnah zugänglich zu machen

Eine Regelung bzgl. Entscheidungsfindung in den Arbeitskreisen findet sich nicht in der Satzung.

Die Arbeitskreise haben bei Bedarf einen Jahresplan mit Budget zu erarbeiten und der Gemeinde rechtzeitig vorzulegen. Über die Mittelverwendung ist Rechenschaft abzulegen.

Die Ergebnisse der Planungen der Arbeitskreise sind dem Steuerungsgremium vorzulegen.
Projektvorhaben, die voraussichtlich mit erheblichen Kosten verbunden sind oder bedeutende Auswirkungen in den kommunalen Handlungsfeldern erwarten lassen, sind dem Steuerungsgremium bereits vor den ersten Planungsschritten anzuzeigen.

Die Arbeitskreise haben folgende Rechte: (Pelzer, S.125f)

  • Jeder Arbeitskreis hat das Recht, im Steuerungsgremium vertreten zu sein.
  • Jeder Arbeitskreis hat sein eigenes Budgetrecht. Das heißt, er bringt seine Budgetplanung wie jede Verwaltungseinheit auch in die Haushaltsplanung der Gemeinde ein.
    (Die geplanten Kosten aller Arbeitskreise liegen seit Jahren konstant im Bereich von EUR 20.000 -25.000.--. Ebenso regelmäßig werden nur zwei Drittel des beantragten AK-Budgets abgerufen. (gemeinde-weyarn.de; abgefragt 1.9.23))
  • Jeder Arbeitskreis hat das Recht auf professionelle Begleitplanung. Das heißt, die Gemeinde zahlt einen den Arbeitskreis jeweils begleitenden Profi (Sozialarbeiter:in/Verkehrsplaner:in, usw).
  • Mitglieder der Arbeitskreis haben das Recht auf Selbstqualifikation (die Gemeinde übernimmt die Kosten für die individuelle oder gruppenmäßige Weiterbildung).
  • Alle Arbeitskreise haben auch das Recht auf die Finanzierung von Exkursionen.

In der Gemeinde Weyarn gibt es derzeit 15 verschiedene Arbeitskreise, die meist im Rahmen der Dorfentwicklung seit Beginn der 1990er-Jahre entstanden und teilweise schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert bestehen. Diese sind Altersplanung, Asyl, Bücherei, Dorfleben, Energie-Umwelt, Gemeinschaftliches Garteln, Geschichte, Jugend, Marterl, Ortsgestaltung, Seeham, Terre del Reno, Verkehr und Mobilität und Wirtschaft. (gemeinde-weyarn.de; abgefragt 2.9.23)

Die Arbeit der Arbeitskreise wird auf der Gemeinde-Homepage präsentiert, zum Teil haben die Arbeitskreise ihre eigene Homepage, über die Gemeinde-Zeitung (Gmoablatt’l) wird die Bevölkerung monatlich informiert.

Steuerungsgremium

Das Steuerungsgremium besteht aus 8 Mitgliedern. Sie werden auf einer Bürger:innen-Versammlung gewählt. Die Wahlperiode beträgt sechs Jahre. Die Wahl findet regelmäßig ein Jahr nach der Kommunalwahl statt. (derzeitige Besetzung)

Dem Steuerungsgremium gehören zusätzlich an:

  • mit Stimmrecht: je eine benannte Vertreter:in eines Arbeitskreises, die im Steuerungsgremium nicht vertreten ist / die erste Bürgermeister:in
  • ohne Stimmrecht: Fraktionssprecher:innen, soweit nicht bereits stimmberechtigt vertreten / Koordinierungsstelle / Beauftragte der Gemeinde nach Sachlage.
  • Weitere Mitglieder können zugezogen werden.

Das Steuerungsgremium tagt öffentlich.
Das Steuerungsgremium tagt mindestens vier Mal jährlich. Es wird vom/n Vorsitzenden/r jeweils mit 8-tägiger Frist unter Beifügung einer Tagesordnung schriftlich eingeladen.

Das Steuerungsgremium wählt eine/n Vorsitzende/n und eine Stellvertreter:in. Ihre Amtszeit beträgt jeweils 6 Jahre.

Aufgabe des Steuerungsgremiums ist es die Projektvorhaben der Arbeitskreise, die Planungsergebnisse und Budgetanforderungen der Arbeitskreise aufeinander und auf die vom Gemeinderat festgelegten Leitziele und Leitbilder abzustimmen.
Das Steuerungsgremium ist verpflichtet, auf Anforderung des Gemeinderates oder eines Arbeitskreises zu geplanten Vorhaben zeitnah Stellungnahmen abzugeben.
Das Steuerungsgremium hat das Recht, Planungsergebnisse dem Gemeinderat als Antrag vorzulegen. Hierfür hat ein Vertreter des Gremiums im Gemeinderat Rederecht.
Budgets werden gesondert im Rahmen des jährlichen Haushalts vom Gemeinderat genehmigt.
Soweit für die Realisierung eines Projekts die Zustimmung des Gemeinderats notwendig wird, ist bereits bei Projekt-Vorhabensanzeigen der Arbeitskreise die befürwortende Stellungnahme des Steuerungsgremiums Voraussetzung (für die Vorlage im Gemeinderat).
Bestätigt der Gemeinderat das Vorhaben vom Grundsatz her, kann er erforderlichenfalls Hinweise und Auflagen erteilen.
Die Arbeitskreise werden vom Ergebnis der Prüfungen unterrichtet und erhalten so frühzeitig Planungssicherheit.

Mindestens einmal jährlich beraten Steuerungsgremium und Gemeinderat gemeinsam über die Planungsergebnisse und legen eine Prioritätenliste festlegen.

Koordinationsstelle („Mitmachamt")

Die Gemeinde stellt in ihrer Verwaltung die Koordinierung dieses Beteiligungsprozesses durch umfassende Information der Arbeitskreise, des Steuerungsgremiums und des Gemeinderats über die jeweiligen Planungsstände aller Gremien durch die Einrichtung einer Koordinationsstelle sicher.
Sie untersteht der Dienstaufsicht der ersten Bürgermeister:in oder eines von ihr beauftragten Mitarbeitenden.
Sie erhält ein für die Erfüllung dieser Aufgaben angemessenes Zeitbudget.

Die Koordinationsstelle hat folgende Aufgaben:

  • Sicherstellung des Informationsflusses zwischen Gemeinderat, Verwaltung, Arbeitskreisen und Steuerungsgremium.
  • Rechtzeitige Einholung der erläuterten Budgetanträge der Arbeitskreise und Vorlage vor Steuerungsgremium (mit der Auflage der Beschlussfassung) und Budgetverantwortlichen der Gemeinde.
  • Sicherstellung der termingerechten Erstellung notwendiger Beschlussvorlagen im Steuerungsgremium und Gemeinderat.
  • Sie ist Ansprechpartner:in und Unterstützende der Arbeitskreise sowie der zur Partizipation bereiten Bürger:innen. Sie koordiniert auch die Öffentlichkeitsarbeit.
  • Überwachung der Einhaltung der satzungsgemäßen Regeln durch die Arbeitskreise.
Professionelle externe Unterstützung

Die Gemeinde stellt den Arbeitskreisen und dem Steuerungsgremium angemessene Mittel zur Selbstqualifikation sowie auf Antrag der Arbeitskreise und des Steuerungsgremiums auch professionelle Begleitplaner:innen oder Moderator:innen sowie im Konfliktfall Mediator:innen zur Verfügung stellen. Für diesen Zweck räumt der Gemeinderat der ersten Bürgermeister:in ein jeweiliges jährliches Budget ein.

Bürger:innen-Befragung

2011 wurde in der Gemeinde Weyarn ein Bürgerbegehren, außerhalb der mit Satzung verankerten Bürger:innen-Beteiligung, beantragt. Für die Verantwortlichen irritierend und enttäuschend.
Der angestoßene Nachdenkprozess über die etablierte Bürger:innen-Beteiligung brachte die Erkenntnis, dass die Beteiligung vor allem die Aktiven in der Gemeinde im Fokus hatte, die rund 300 Engagierten in den Arbeitskreisen sowie nochmal so viele in den Vereinen der Gemeinde. Das sind allerdings nur in etwa ein Sechstel der Gemeindebevölkerung.
Neben der Intensivierung der Information über die Beteiligungsabläufe wurde die Durchführung von Büger:innen-Befragungen, zur Erreichung der gesamten Gemeindebevölkerung eingeführt. (Pelzer, S. 130)

2012 wurde die letzte Bürger:innen-Befragung durchgeführt, auf gemeinde-weyarn.de finden sich die Ergebnisse im Detail. Die Befragung sollte Aufschluss darüber geben, ob die vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten in der Gemeinde bekannt sind, in welchen Bereichen sich Bürger:innen engagieren, wie die Arbeit der Arbeitskreise, des Gemeinderates oder der Gemeindeverwaltung bewertet wird und welche Informationsmöglichkeiten in der Gemeinde genutzt werden. Im Ergebnis tragen diese Erkenntnisse dazu bei, die Voraussetzungen für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement zu überprüfen und diese ggf. den neuen Gegebenheiten anzupassen.
Insgesamt wurden 664 Fragebögen ausgefüllt zurückgegeben. Dies entspricht einem Rücklauf von 26%.

Einbindung von Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche werden schon frühzeitig mit Beteiligungsprozessen vertraut gemacht, über Kindergemeinderatssitzungen, Jungbürger:innen-Versammlungen, Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Projekten (zB Schulneubau). (Pelzer, S.103f)

Abschließend

Die Bürger:innen-Kommune Weyarn zeigt nicht nur wie eine strukturell verankerte kommunale Bürger:innen-Beteiligung funktionieren kann, sie dokumentiert auch, dass es einer lange dauernden Entwicklung bedarf, bis sie sich etabliert. In den Worten des damaligen Bürgermeisters: „Die Erkenntnis der Dynamik der Langsamkeit. Eingeübtes zu ändern, braucht Zeit. Lernprozesse, die tradierte Verhaltensweisen ändern wollen, sind keine intellektuellen Aha-Erlebnisse. Der Weg zur Bürgerkommune ist ein langer Weg der Änderung herkömmlicher Politikmethoden.“ (Pelzer, S.127f)

Quellen:

https://gemeinde-weyarn.de/

Bürgerbeteiligungssatzung der Gemeine Weyarn (beschlossen 31. Juli 2013)
https://gemeinde-weyarn.de/wp-content/uploads/2021/07/Buergerbeteiligungssatzung.pdf

Pelzer Michael: Die Bürgerkommune Weyarn, S. 119-132
in Beck G., Kropp C.: Gesellschaft innovativ, Wiesbaden 2012
http://www.weyarn.de/Download/GesellschaftInnovativ.pdf

Die Bürgergesellschaft - Vortrag von Michael Pelzer - Bürgermeister von Weyarn, 2014
https://www.youtube.com/watch?v=xeaLHb1-8wY